Mo, 03. November 2025
Jubilate – Singend durch Zeit und Raum
In unserem Lehrerzimmer hat jemand an die Infotafel ein Zitat von Rudolf Steiner geschrieben, das ihm oder ihr offenbar sehr wichtig geworden ist in diesen Zeiten. Dort steht geschrieben:
„In Zeiten, in denen Niedergangskräfte dominieren, kommt es auf den ganzen Menschen an, auf den Entschluss, nicht mit dem Strom und nicht gegen den Strom zu schwimmen, sondern Neuland zu schaffen in sich selbst und in seinem Wirkungskreis.“
Solches Neuland haben die Organisator/innen des Chortreffens in diesem Jahr geschaffen. Es war viel Vorarbeit notwendig – vom Aufnehmen der Idee (solche Chortreffen der 7. Klassen der Steinerschulen gibt es auf Initiative von Peter Appenzeller in Italien seit vielen Jahren) über die Klärung der Fragen: Was werden wir singen? bis hin zur Organisation der Übernachtungen für die Gastklassen.
Es war ein Wagnis. Wie wird es sein, wenn fünf Klassen, die sich gegenseitig meist nicht kannten, zusammen musizieren?
Am Freitagmorgen fuhren wir los. Die Nachricht, dass die Mädchen im Basler Hostel in klassengemischten Zimmern würden schlafen müssen, hatte nicht unbedingt Begeisterung hervorgerufen; die Unsicherheit und Scheu vor dem Unbekannten überwogen. Kaum am Jakobsberg angekommen, ging es auch schon mit den Proben los. Und die Schüler/innen waren gefordert. Bis 18.30 Uhr ging das Üben – selbstverständlich inklusive wohlverdienter Pausen, in denen die Schüler/innen sich kennenlernten und wahrnahmen. Staunen bei einigen darüber, wie gross und weitläufig das Basler Schulgebäude und das gesamte Gelände waren – die anderen drei Schulen sind um Einiges kleiner…
Am Ende des Tages waren alle rechtschaffen müde – was die Schüler/innen jedoch nicht davon abhielt, in den Hostelzimmern intensive Gespräche miteinander zu führen – manchmal bis spät in die Nacht hinein.
Auch am nächsten Tag wieder: Proben, Proben, Proben – schliesslich stand am Abend das erste Konzert auf dem Programm. Bis dahin musste der Ablauf sicher sein. Dank einer tollen Organisation war das auch der Fall.
Ab 19 Uhr stieg bei Vielen der Adrenalinspiegel. Würden viele Menschen kommen, um das Konzert zu hören? Würde alles gelingen? Die Ängste waren unbegründet. Die vielen verschiedenen Musiklehrer/innen steuerten Kapitänen gleich das Chor-Schiff sicher in den Hafen, die Besucher/innen in der Kulturkirche Paulus in Basel dankten es allen Beteiligten mit langem Applaus.
Der Sonntag begann mit der Reise nach Kreuzlingen, wo eine neue Herausforderung auf uns wartete – die St. Stephans Kirche. Dort war die Akustik eine ganz andere, so dass auch der Gesang noch einmal angepasst werden musste; das war zugleich Physik in ihrer praktischen Anwendung. Auch dieses Konzert war gut besucht und die Reaktionen der Eltern aus meiner Klasse die anwesend waren, waren eindeutig: Gänsehautmomente.
Es klingt eben doch anders, wenn ein Chor hundert Menschen umfasst (statt 23, wenn eine Klasse singt…).
Die künstlerische Arbeit war der eine - grosse - Teil dieses Treffens. Es hatte aber auch noch andere Facetten. Die Schüler/innen lernten sich kennen und schätzen und noch im Zug zurück trafen sie sich auf den Gängen und redeten. Meine Klasse jedenfalls ist nach diesem Wochenende sehr offen dafür, noch einmal etwas gemeinsam mit den anderen 7. Klassen zu unternehmen.
Aber auch unter uns Lehrer/innen gab es spannende Gespräche. Es war interessant wahrzunehmen, wie wir am Gleichen und doch auf sehr unterschiedliche Art und Weise arbeiten. Und nichts ist bereichernder, als sich gegenseitig von den Fragen zu erzählen, die einen beschäftigen und – im Falle der Musiklehrer/innen – Kolleg/innen beim Arbeiten zuzuschauen und sich davon inspirieren zu lassen. Manche Idee wurde geboren und es ist zu hoffen, dass die eine oder andere davon auch umgesetzt werden kann und nicht vom Alltagsgeschäft «gefressen» wird.
Den Raum für dieses Neuland auf vielen Ebenen geschaffen zu haben, ist ein grosser Verdienst der Menschen, die dieser Idee eines gemeinsamen schulübergreifenden 7. Klass-Chores Leben eingehaucht haben. Ihnen, wie auch allen anderen Mitwirkenden, ob in der Küche (ein nicht zu unterschätzender Faktor – und wir wurden wunderbar verpflegt!), im Hausdienst oder anderswo, gilt ein riesengrosses Dankeschön! Alle gemeinsam haben die Jugendlichen in die Welt schauen lassen – in die Welt der Musik, in die Kompositionen verschiedener Jahrhunderte und verschiedener Länder.
Es war kein Schwimmen mit dem Strom und keines dagegen, es war etwas ganz Neues, was da geschaffen und zum Klingen gebracht wurde und es ist zu hoffen, dass diese Idee eine Fortsetzung im nächsten Jahr findet.
Jana Taina Bidaut